#86511

PL2N A Paradigmenwechsel im Legierungskonzept von Leichtmetallen mit intrinsischer Nachhaltigkeit für Struktur-Anwendungen

Das Projekt PL2N A soll auf fundamentaler Ebene Zugang zum Materialregime der Multi Principal Element Alloys (MPEAs) im Bereich niedriger Dichten (< 6,0 g/cm³) schaffen.
Bei Legierungen mit mehreren Hauptelementen versagen zeitgenössische simulative Vorhersagemethoden wie CALPHAD, da hier die zugrunde liegenden Datenbanken nur ungenügend experimentell fundiert sind. Auch klassische empirische Modelle, wie etwa die Hume-Rothery-Rules, sind in ihrer Vorhersagefähigkeit auf klassische Legierungsdesigns mit einem Hauptelement limitiert.
Die internationalen Forschungsaktivitäten im Bereich der HEAs/MPEAs beschränken sich de facto ausschließlich auf höher dichte Werkstoffe (>> 6 g/cm³).

PL2N A soll hier auf zwei Ebenen wichtige Fortschritte etablieren:
mittels Erstellung einer Vielzahl von Dünnschichtgradienten-Bibliotheken (tfvd – thin film vapor deposition), bzw. „Sputtering“) mit 4 und 5 Elementen und derer mikrostruktureller Charakterisierung wird eine breite Datenbasis geschaffen, die Aufschlüsse über die komplexe Phasenevolution in diesen Bereichen zulässt und damit eine direkte Identifikation von technologisch relevanten Kompositionen erlaubt. Diese werden dann mittels kleinskaliger Gießversuche im makroskopischen Maßstab verifziert.
Parallel dazu wird eine simulatives Screening-Verfahren entwickelt, welches auf einer erweiterten Umsetzung von atomistischer ab-initio Simulation mittels sog. Cluster Expansion beruht. Basierend auf einem Fundament von punktuellen Detailsimulationen einzelner Zusammensetzungen soll diese Methode zur Inter- und Extrapolation in weiten stöchiometrischen Bereichen von 4+ Elementkonfigurationen in der Lage sein.
Der permanente Austausch beider methodischen Pfade stellt eine zielgerichtete Umsetzung sicher.

Ausgangssituation

Das junge Forschungsgebiet der sogenannten „High Entropy Alloys“ (HEAs) hat in den letzten Jahren eine Reihe von experimentellen Legierungen hervorgebracht, die sowohl hinsichtlich erreichbarer mechanischer Eigenschaften, als auch hinsichtlich der zugrundeliegenden metallurgischen Zusammenhänge den State of Art durchbrechen. Während moderne Legierungen aller Klassen üblicherweise bei deutlich unter 10% des theoretischen Absolutwertes technisch etabliert sind, können HEAs bis zu 25% ihrer theoretischen Festigkeit realisieren.
Wiewohl die Forschung an HEAs bzw. allgemeiner MPEAs (Multi Principial Element Alloys) weltweit kontinuierlich intensiviert wird, gilt dies nicht für MPEAs, die vorrangig Leichtmetalle als Basis verwenden und damit den Bereich niedriger Dichten (Rho < 6,0g/cm³) erschließen. Dies liegt vor allem an den komplexen atomaren Bindungszuständen von Leichtmetallen. Für die zukünftige Mobilität ist die bewegte Masse der entscheidende Faktor für die erreichbare Energieeffizienz. Für die Umsetzung nachhaltiger Mobilitätsszenarien bedarf es metallischer Werkstoffe, die ihre spezifischen Limits weit über den heutigen Stand hinaus ausreizen, um die notwendigen Gewichts- und CO2-Einsparungen realisieren zu können.
Das Projekt PL2N A soll auf fundamentaler Ebene Zugang zu diesen Materialregimen schaffen, durch die kombinatorische Anwendung von experimentellem – (Dünnschichtgradienten) und Entwicklung von atomistisch-numerischen Screening-Methodenx.

Projektverlauf

Mit Start des Projektes wurden Vergleichsversuche an simplen binären Legierungen durchgeführt, um die Äquivalenz von tfvd („Sputtering“) mit größeren Gießverfahren (sog. Bulk-Verfahren) sicherzustellen.
Im weiteren Verlauf werden kontinuierlich Phasenbibliotheken im quaternären System Aluminium-Magnesium-Zink-Kupfer hergestellt, durch Wärmebehandlung in ein thermodynamisches Equilibrium gebracht und mikrostrukturell charakterisiert.

Im finalen Projektjahr erfolgt nun der Schritt zu 5-Elementsystemen (durch Addition von z.B. Silizium, Chrom, etc).

Die hierzu benötigten Mehrkomponenten-Sputtertargets werden vom Projektteam dabei selbst hergestellt.
Die stöchiometrische Komplexität wurde hierbei schrittweise gesteigert: im ersten Projektjahr lag der Fokus auf ternären Systemen (z.B. Al-Mg-Zn), im weiteren Projektverlauf wurde auf das volle 4-Elemente-Spektrum erweitert.

Gleichzeitig wurde auf numerischer Seite mit Projektstart begonnen, Modelle für die Vorhersage von Kristallstabilitäten auf Basis der bewährten Methode der Cluster Entwicklung (CE) zu entwickeln. Der Fokus liegt hierbei auf kubischen Kristallsymmetrien, da diese den Großteil der zu erwartenden Phasen abdecken und somit ein breites Spektrum an sowohl intermetallischen – als auch Mischkristallphasen darstellen können. Als Resultat dieser Methode entstehen sogenannte konvexe Hüllen von Phasenstabilitäten in multidimensionalen Zusammensetzungs-Formationsenergie-Diagrammen, welche die stabilsten Zusammensetzungen unmittelbar identifizieren können.

Beide Methoden werden fortlaufend abgeglichen und zeigen bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt gute Übereinstimmungen. Zum Start des letzten Projektjahres sind zwei quaternäre und 2 quinäre Legierungskompositionen identifiziert wurden, die im Sinne von technologisch relevanten MPEAs geeignet erscheinen. Diese werden nun in Bulk-Verfahren in größerem Maßstab hergestellt und entlang klassischer technologischer Parameter (Festigkeit, Bruchdehnung, etc.) charakterisiert.
Dazu ergänzend sollen punktuell noch Bulk-Proben unter Verwendung kommerzieller Ausgangsmaterialien hergestellt werden, um die These der erhöhten Verunreinigungstoleranz von MPEAs punktuell untersuchen zu können.

Begleitend zu den beiden methodischen Hauptpfaden liegt ein weiterer Fokus von PL2N A in der begleitenden Bewertung und Weiterentwicklung von semi-empirischen thermodynamischen Vorhersagemodellen für diese MPEAs. Basierend auf Bilanzgleichungen der Gibbs’schen Enthalpie werden die gewonnenen Materialbibliotheken dazu genutzt, um zeitgenössische und vom Konsortium weiterentwickelte Modelle kritisch zu prüfen und deren Potential im Bereich niedrig dichter MPEAs zu bewerten.

Meilensteine

  1. Darstellung mehrerer Materialbibliotheken mittels experimentellen Screening durch Dünnschichtgradientenherstellung
  2. Entwicklung einer simulativen Screening-Methode für komplexe Elementkonfigurationen auf Basis von atomistischer ab-initio Simulation

"Das generalisierte Konzept der High Entropy Legierungen - also komplexer Mischungen mehrerer Elemente jenseits klassischer Legierungsparadigmen - stellt gleichzeitig große wissenschaftliche Herausforderungen, als auch großes Potential für disruptive Materialentwicklungen in Aussicht. Ohne verlässliche Screening Methoden kann hier aber nur an der Oberfläche dieses Potentials gekratzt werden."

– Clemens Simson –

Ergebnisse

– Experimentelle Erstellung von 4-6 Phasenbibliotheken basierend auf den technologisch relevanten Leichtmetallen Aluminium, Magnesium und Silizium mittels Sputtering im Dichtebereich < 6 g/cm3
– Atomistische Ab-inito Simulation dieser Bibliotheken und Abgleich der verwendeten Modellparameter
Zusammenführen der Ergebnisse in eine konsistente thermodynamische Beschreibung
– Darstellung von 2-3 durch obige Methoden bewiesenen Legierungen im makroskopischen Labormaßstab
– Qualitative, experimentelle Untersuchungen zur Verunreinigungstoleranz von niedrig dichten MPEAs durch stufenweise Substitution von Reinelementen durch
Sekundärmaterial und Schrotte

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Steckbrief

  • Projektnummer
    86511
  • Koordinator
  • Projektleitung
    Clemens Simson, clemens.simson@ait.ac.at
  • Partner
  • Schlagwörter
    High Entropy Alloys, Legierungsentwicklung, numerische und experimentelle Screeningmethoden
  • Förderprogramm
    Energieforschung (e!MISSION)
  • Dauer
    03.2018 - 02.2021
  • Budget
    948.704 €