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FINI Fischschutz und Anströmung an Wasserkraftanlagen mit niedrigen Fallhöhen

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden die hydraulischen Verhältnisse im Nahbereich der Fischschutz- bzw. Fischleitstrukturen bei Wasserkraftanlagen mit niedrigen Fallhöhen unter Anwendung von 3D-numerischen Simulationen sowie experimentellen Versuchen ermittelt und fortlaufend hinsichtlich der verhaltensbiologischen Zusammenhänge sowie der Auswirkungen auf die Anströmung der Turbinen bewertet. Diese Untersuchungen mündeten in einer Zusammenstellung wesentlicher Grundlagen zur Leitwirkung verschiedener Fischschutzkonzepte. Zudem wurden weiterführende, wissenschaftlich hochrelevante Aspekte rund um den Fischschutz sowie die Anströmung an Wasserkraftanlagen mit niedrigen Fallhöhen untersucht.

Ausgangssituation

Die Wasserkraft ist ein elementarer Bestandteil der Stromerzeugung in Österreich und trägt wesentlich dazu bei, dass Österreich im internationalen Vergleich zu einem Vorreiter bei der Nutzung erneuerbarer Energiequellen zählt. Jedoch sieht sich die Wasserkraft zunehmend mit einer kritischen Betrachtung hinsichtlich der ökologischen Aspekte konfrontiert. Besonders die Unterbrechung des Längskontinuums der Gewässer hat erhebliche ökologische Auswirkungen: Neben der Einschränkung des natürlichen Sedimenttransportes wird das Wanderverhalten von aquatischen Organismen, vor allem von Fischen, gestört und Lebensräume wie z.B. Laichhabitate separiert. Langfristig führt dies zu einem Rückgang der Fischpopulationen bzw. zum Verschwinden einiger Fischarten aus den österreichischen Fließgewässern.
Mit dem Inkrafttreten der EU-Wasserrahmenrichtlinie wurde der Erhalt und die Wiederherstellung der flussauf- und -abwärts gerichteten Durchgängigkeit von Fließgewässern vorgeschrieben. Für die flussaufwärts gerichtete Fischmigration gibt es inzwischen vielseitige Lösungen in Form von technischen sowie naturnahen Fischaufstiegsanlagen. Die Problematik bei der flussabwärts gerichteten Migration blieb dagegen lange Zeit unerkannt; es bestehen nach wie vor zahlreiche Wissenslücken.
Wasserkraftanlagen mit niedrigen Fallhöhen (d.h. die Wasserspiegeldifferenz ober- und unterstrom der Anlage liegt unter 5 Metern) sind vornehmlich für den Einsatz an ökologisch wertvollen Flussstrecken geeignet, vor allem aufgrund der potenziell guten Eignung zur Beibehaltung der Gewässerdurchgängigkeit. Besonderes Augenmerk kommt dabei dem Fischschutz zu, d.h. dem Schutz der Fische bei der flussabwärts gerichteten Wanderung. Durch geeignete technische Maßnahmen gilt es dafür zu sorgen, dass Fische vor dem Turbinendurchgang geschützt und über einen Fischabstiegskorridor (Bypass) einen sicheren Weg in Richtung Unterwasser finden. Als Leitstruktur kann z.B. ein schräg zur Anströmung ausgerichteter Rechen mit horizontal oder vertikal angeordneten Stäben verwendet werden. Für eine fachgerechte Bewertung der zum Teil deutlich unterschiedlichen Fischschutz- und Fischleitkonzepte fehlen allerdings noch wichtige hydraulische Grundlagen. So können die tatsächlichen Richtungen der Strömungsvektoren, aber auch die räumlichen Verteilungen der lokalen Geschwindigkeiten, mitunter erheblich von den idealisierten Annahmen in der Planungsphase abweichen und in Abhängigkeit der gewählten Geometrie sowie der unterschiedlichen Abflüsse variieren.

Projektverlauf

Das Projektteam unter der Leitung des Arbeitsbereiches Wasserbau der Universität Innsbruck bestand aus kompetenten Partnern aus Wissenschaft (Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement der Universität für Bodenkultur Wien) und Praxis (Voith Hydro GmbH & Co. GmbH, VERBUND Hydro Power GmbH und Grenzkraftwerke GmbH). Die Zusammenarbeit war sehr konstruktiv sowie zielorientiert und geprägt von der umfangreichen Erfahrung aller Partner und der weitreichenden Expertise aus Fischbiologie, Wasserbau, Hydraulik und Anlagentechnik. Dies erlaubte die umfassende Bearbeitung aller gesetzten Meilensteine sowie die zusätzliche Betrachtung weiterer aktuell hoch relevanter, wissenschaftlicher Fragestellungen. Nach 23 Monaten Bearbeitungszeit wurde das Projekt mit Ende Januar 2020 abgeschlossen.

 

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© Markus Aufleger

Meilensteine

  1. Darstellung der Fischleitwirkung entlang von Leiteinrichtungen in den Bypass
  2. Prognose des wahrscheinlichen Fischverhaltens auf Basis der Ergebnisse aus 3D-numerischen Berechnungen
  3. Durchführung physikalischer Modellversuche im Turbinenversuchsstand
  4. Untersuchung des Einflusses des Fischdurchgangs durch Kompaktturbinen
  5. Beschreibung effektiver Bauweisen mit wirksamen Fischschutz- und Fischleitkonzepten
  6. Aufstellung typischer Kostenansätze
  7. Projektabschluss

"Sowohl bei der Planung von neuen Wasserkraftanlagen als auch bei der ökologischen Anpassung von Bestandsanlagen ist die Implementierung eines wirksamen Fischschutz- bzw. Fischleitkonzeptes unumgänglich zur Erfüllung der strengen umweltrelevanten Anforderungen. Für die Zukunft der Wasserkraft in Österreich brauchen wir einen sicheren Weg für die Fische flussab - entweder durch nachweislich fischfreundliche Turbinen oder über funktionierende Fischabstiegsanlagen!"

– Markus Aufleger –

Ergebnisse

Im Forschungsprojekt wurden verschiedenste Aspekte rund um den Fischschutz und die Anströmung an Wasserkraftanlagen mit niedrigen Fallhöhen unter Verwendung aktueller Methoden untersucht. Durch die Verknüpfung aller Teilergebnisse wurden wesentliche Grundlagen des wirkungsvollen Fischschutzes und der effektiven Fischleitwirkung abgeleitet und günstige Bauweisen für die Nachrüstung von Bestandsanlagen sowie generell für Neubauten empfohlen. Eine individuelle Planung, angepasst an die projekt- und standortspezifischen Gegebenheiten, können diese dennoch nicht ersetzen.
Als konkrete Kraftwerksanordnung wurde das geplante Fließgewässerkraftwerk an der Unteren Salzach bei Flusskilometer 39,9 modelliert, simuliert und ausgewertet. Daneben wurden weitere, fiktive Kraftwerksanordnungen an Standorten in voralpinen und alpinen Flüssen im österreichischen Einzugsgebiet der Donau untersucht. Darüber hinaus lieferten Detailuntersuchungen der Fischschutzrechen aussagekräftige Grundlagen zum Strömungsverhalten der jeweiligen Rechenkonfigurationen. Die hydraulischen Verlusthöhen konnten hierbei im befriedigenden Ausmaß nachgebildet und die in Abhängigkeit der betrachteten Rechenkonfiguration potenzielle Eignung von numerischen Simulationen als Ersatz von bzw. als Ergänzung zu physikalischen Modellversuchen bestätigt werden.
Auf Basis der Ergebnisse von Versuchsdurchführungen im Turbinenversuchsstand mit Einbauten unmittelbar vor dem voll funktionsfähigen Prototyp einer StreamDiver-Kompaktturbine zeigte sich, dass dieser Turbinentyp sehr robust auf verschiedene Anströmungsverhältnisse reagiert. Somit kann davon ausgegangen werden, dass Fischschutz- bzw. Fischleiteinrichtungen keinen bzw. einen vernachlässigbar geringen Effekt auf das Strömungsverhalten im Nahbereich der Turbinen haben. Die hydraulischen Verlusthöhen, ausgelöst durch solche Strukturen, führen jedoch bei Anlagen mit niedrigen Fallhöhen hinsichtlich der energiewirtschaftlichen Betrachtung zu empfindlichen Einbußen. In diesem Zusammenhang vereinen hybride Barrieren effektive Fischschutz- bzw. Fischleitkonzepte mit niedrigen hydraulischen Verlusthöhen durch den geringen Verbauungsgrad dieser Systeme.
Die potenziellen Auswirkungen der Fischpassage durch StreamDiver-Kompaktturbinen wurden auf Basis der Ergebnisse von 3D-numerischen Simulationen und Berücksichtigung der fischbiologischen Daten evaluiert. Dabei zeigte sich, dass bei Anlagen mit niedrigen Fallhöhen die maßgebende Ursache für Fischschäden die Kollision mit den Laufschaufeln ist. Diese kann, bedingt durch die geringe Größe und die vergleichsweise hohe Drehzahl dieser Turbinen, für größere Fische relativ hoch ausfallen. Durch die Kombination mit wirksamen Fischschutz- bzw. Fischleiteinrichtungen können jedoch sehr geringe Schädigungsraten beim Fischabstieg erreicht werden.

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