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OptHySys Optimierung Hybrider Energienetze und -Systeme

Innovationen im Bereich von Energiesystemen – sowohl im elektrischen als auch dem thermischen Bereich – zielen aktuell in erster Linie auf die nachhaltige Reduktion des CO2-Ausstoßes und die Einbindung von dezentralen, erneuerbaren Energieträgern ab. Allerdings führt dieser Übergang zu vielen Problemen in der technischen Umsetzung. Einerseits hat die Einbindung von Photovoltaik- und Windkraftanalgen drastische Auswirkungen auf die Spannungsqualität von elektrischen Verteilnetzen. Andererseits ist der effiziente Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplungen für die Speisung von Fernwärmenetzen als Ersatz von traditionellen Energiequellen unter ökonomischen Gesichtspunkten schwer durchführbar. Das Projekt OptHySys zielte in diesem Kontext darauf ab, die Synergiepotenziale zu nutzen, die sich imintegrierten Betrieb von elektrischen Verteilnetzen und Fernwärmenetzen ergeben, um diese Probleme zu lösen. Dabei wurde untersucht wie die unterschiedlichen Speichertechnologien, die unterschiedlichen Zeitkonstanten und die unterschiedlichen Gegebenheiten bezüglich der Energieaufbringung in den betrachteten Domänen einander optimal ergänzen können, wenn sie gemeinschaftlich verwaltet und geregelt werden

Im Projekt wurde eine Evaluierung der tatsächlichen Synergiepotenziale in zwei spezifischen Anwendungsfällen auf der Basis von Computersimulationen durchgeführt, um die Effektivität und Zweckmäßigkeit der integrierten Netzführung von elektrischen Verteilnetzen und Fernwärmenetzen beurteilen zu können. Beide Anwendungsfälle wurden in enger Kooperation mit österreichischen Netzbetreibern erarbeitet, um sicherzustellen, dass diese auch für Österreich relevante Szenarien abbilden und die Ergebnisse somit aussagekräftig für potentielle zuküftige Umsetzungsprojekte sind. Außerdem
konnte im Rahmen dieser Kooperation die Qualität und der Praxisbezug der zur Verfügung stehenden Daten und Modelle verbessert werden, was deutlich anwendungsnähere Analyseergebnisse erlaubt hat
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Allerdings sind traditionelle Simulationswerkzeuge und Modelle nur begrenzt in der Lage sowohl den thermischen als auch den elektrischen Sektor (inkl. deren Regelung) dynamisch abzubilden. Ein zentrales Element des Projekts war daher auch die Entwicklung eines ganzheitlichen Ansatzes, der die bislang ungenützten Synergiepotenziale zwischen Strom und Wärme effektiv evaluieren und deren Einsatz im integriererten Betrieb optimieren kann. Zu diesem Zweck wurde ein Ansatz auf der Basis von Simulationskopplung (co-simulation) eingesetzt, um die dynamischen Wechselbeziehungen zwischen den thermischen und elektrischen Netzen räumlich und zeitlich hochauflösend analysieren zu können.

Ausgangssituation

Zwei Hauptziele wurden für das Projekt OptHySys definiert:

  1. Analyse der Zweckmäßigkeit von thermisch-elektrischen Hybridnetzen in Österreich
  2. Ableitung von konkreten Umsetzungspotenzialen/potentiellen Demonstrationsprojekten

In der Tat boten zwei österreichische Netzbetreiber (Salzburg Netz GmbH, Innsbrucker Kommunalbetriebe) innerhalb weniger Monate nach Beginn des Projekts ihre Unterstützung an. Die daraus resultierende Zusammenarbeit floss in die Definition von zwei spezifischen Anwendungsfällen ein. Dadurch konnte ganz im Sinne des 2. Hauptziels die Relevanz des Projekts für zukünftige Umsetzungsprojekte deutlich gesteigert werden. Außerdem konnte im Rahmen dieser Kooperation die Qualität und der Praxisbezug der zur Verfügung stehenden Daten und Modelle verbessert werden, was im Sinne des 1. Hauptziels deutlich anwendungsnähere Analyseergebnisse erlaubt hat.

Deliverable D2.1 liefert eine detaillierte Beschreibung der Ausgangslage für die beiden Anwendungsfälle.

Projektverlauf

Entwicklung eines integrierten Betriebskonzepts

Ziel war die Ausarbeitung eines detaillierten technischen Konzepts für den integrierten Betrieb von hybriden thermisch-elektrischen Energiesystemen. Die ausgearbeiteten technischen Konzepte dienten als Basis für die Modellierung der betrachteten elektrischen und thermischen Netzwerke und deren Kopplungspunkte. Unter Mithilfe von zwei österreichischen Netzbetreibern wurden für das Projekt zwei Anwendungsfälle erstellt:

  • Anwendungsfall IKB Demonet befasst sich mit einem Beispiel, das repräsentativ ist für Gewerbegebiete in österreichische Vorstädten oder an Stadträndern. Das vermeintliche Projektgebiet umfasst mehrere Bürogebäude, Industrieanlagen sowie ein Gewächshaus.
  • Anwendungsfall Köstendorf befasst sich mit einem Beispiel, das repräsentativ ist für ländliche Siedlungsgebiete (inkl. Kleinunternehmen) in Österreich. Die Modellgemeinde Köstendorf umfasst rund 96 Haushalte, 16 gewerbliche Kunden und 2 landwirtschaftliche Betriebe.

Für beide Anwendungsfälle wurde untersucht, wie der hybride Betrieb von elektrischen Verteilnetzen und thermischen Netzen aussehen könnte und welche konkreten Effekte ein solcher Betrieb hätte.

Beschreibung der physikalischen Kopplungspunkte

Eine Beschreibung der physikalischen Kopplungspunkte zwischen thermischem und elektrischem Netzwerk wurde ausgearbeitet und in Deliverable D2.2 dokumentiert.

Entwicklung von realistischen Szenarien

Grundlage der technischen Analyse und Optimierung der Anwendungsfälle ist eine Betriebsstrategie, die bestimmt wie die verschiedenen Komponenten eines hybriden thermisch-elektrischen Systems zusammenarbeiten. Dies umfasst die Definition der erforderlichen Messgrößen vom Gesamtsystem sowie ein Konzept welche Erzeuger/Verbraucher unter welchen Bedingungen ein- oder ausgeschaltet werden. Eine detaillierte Zusammenfassung der Betriebsstrategien für die beiden Anwendungsfälle, basierend auf den jeweiligen Optimierungszielen, sowie eine Beschreibung der Systemkonfigurationen der hybriden Netze ist in Deliverable D2.3 zu finden.

Entwicklung von konkreten Betriebskonzepten und Regelstrategien

Eine Systemoptimierung kann nur mit Hilfe geeigneter Betriebsstrategien erreicht werden. Im Allgemeinen gibt es auf Prozessebene lokale Steuerungssysteme (z.B. für Wärmepumpen, KWK-Anlagen oder Gaskessel), die dafür sorgen sollen, dass die Ziele lokal erreicht werden (z.B. Steuerung von Ventilen, um die Versorgungstemperatur konstant zu halten). Allerdings steigt die Komplexität von Regelungssystemen drastisch, wenn einzelne Prozesse zu einem größeren System zusammengefasst werden und ein neues (gemeinsames) Kontroll- bzw. Optimierungsziel definiert wird (z.B. Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Produktion bei Integration erneuerbarer Energiequellen).

In einem solchen Fall ist eine höhere Steuerungsinstanz (Energiemanagementsystem) erforderlich, die hinsichtlich der Energieeffizienz die lokalen Prozesse unter Berücksichtigung aller relevanten Systembeschränkungen (z.B. minimale oder maximale Systemtemperaturen) regelt.

Im Projekt OptHySys wurden in diesem Zusammenhang zwei komplementäre Ansätze getestet:

  1. Der einfachste Regelungsansatz basiert auf der Formulierung spezifischer Regeln. Basierend auf den aktuellen Eingangssignalen, die einem bestimmten Systemzustand (Messdaten) entsprechen, werden Entscheidungen mithilfe vordefinierter Instruktionen getroffen. Ein solcher Ansatz ist in prozeduralen Programmiersprachen einfach zu implementieren, erfordert aber typischerweise eine Feinabstimmung der Regelparameter.
  2. Falls das Systemverhalten bekannt ist oder mit mathematischen Modellen adäquat beschrieben werden kann, können modellbasierte Regelungsansätze verwendet werden, um das Gesamtsystem entlang einer optimalen Trajektorie zu regeln. Zur Laufzeit werden Informationen vom System (Messdaten) verwendet, um einen sicheren Betrieb (d.h. in Übereinstimmung mit den notwendigen Systembeschränkungen) zu optimalen Kosten zu ermöglichen.

Deliverable D2.4 liefert eine detaillierte Beschreibung der Betriebskonzepte und Regelstrategien für die beiden Anwendungsfälle.

Definition von Leistungskennzahlen

Deliverable D2.5 liefert eine detaillierte Beschreibung der Leistungskennzahlen, die für die Auswertung der Ergebnisse für die beiden Anwendungsfälle verwendet wurden.

Modellierung elektrischer und thermischer Systeme

Ein wichtiger Punkt war die Erstellung von möglichst realitätsnahen Simulationsmodellen für elektrische und thermische Verteilnetze. Dabei wurden die relevanten Netzwerktopologien gemäß gemäß der definierten Anwendungsfälleund modelliert.

Die Implementierung der Simulationsmodelle für elektrische Verteilnetze erfolgte mithilfe der Simulationsumgebung DIgSILENT PowerFactory, einem kommerziellen Tool für die Analyse von elektrischen Systemen. Dieses rechnergestützte Werkzeug eignet sich für die Analyse von industriellen, gewerblichen und kommerziellen elektrischen Anlagen. Deliverable D3.1 liefert eine detaillierte Beschreibung der Simulationsmodelle für die elektrischen Verteilnetze der beiden Anwendungsfälle.

Die Implementierung der thermischen Domänenmodelle erfolgt mit Hilfe der Simulationsumgebung Dymola, basierend auf der Spezifikation der Modelica-Fluid-Bibliothek und auf deren Erweiterung, der am AIT Energy Department entwickelten Modelica-Bibliothek DisHeatLib. Die Modellierung des dynamischen Verhaltens eines Fernwärmenetzes sowie des Wärmebedarfs von Gebäuden und Anlagen erfordert die Modellierung sowohl hydraulischer als auch thermodynamischer Aspekte (Druckverteilung, Wärmeverluste, bauphysikalische Eigenschaften, etc.). Berechnungsmodelle berücksichtigen die Netzwerktopologie, einzelne Rohreigenschaften, Pumpen, Bauphysik usw. Deliverable D4.1 liefert eine detaillierte Beschreibung der Simulationsmodelle für die thermischen Netzwerke der beiden Anwendungsfälle.

Entwicklung eines Frameworks für gekoppelte Simulation und Optimierung

Simulationskopplung

Traditionelle Simulationswerkzeuge und Modelle sind typischerweise nur auf einen spezifischen Energiebereich begrenzt. Sie sind daher nicht in der Lage, hybride Energiesysteme detailliert zu beschreiben (einschließlich ihrer Regelung), was eine wichtige Voraussetzung für einen geeigneten Entwurfsprozess und einen optimierten Betrieb ist. Kopplungsansätze (Co-Simulation) bieten eine vielversprechende Alternative, die die detaillierte Bewertung und Optimierung der Interaktionen zwischen den verschiedenen Domänen für eine eingehende Bewertung der tatsächlichen Synergiepotentiale erleichtert.

Im Rahmen dieses Projekts wurde die Simulationsumgebung FUMOLA eingesetzt. FUMOLA wurde speziell entwickelt, um die Funktionen der FMI-Spezifikation zu unterstützen, die eine standardisierte API- und Modellbeschreibung sowohl für die Co-Simulation als auch für den Modellaustausch definiert. FMI wurde ausgewählt, da es sich um eine nicht-proprietäre Spezifikation handelt.

Simulationsbasierte Optimierung

Obwohl Co-Simulationsansätze sehr gut geeignet sind die Zielfunktion für ein gegebenes Systemdesign zu bewerten, ist ihre Anwendung im Rahmen der Designoptimierung schwieriger. Dies ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass im Allgemeinen keine geschlossene (semi-) analytische Darstellung des Gesamtsystems vorliegt, was wiederum eine geschlossene (semi-) analytische Darstellung der Zielfunktion (oder ihrer Ableitungen) verhindert. Auch wenn dies die einfache Implementierung vieler Optimierungsalgorithmen verhindert, können metaheuristische Ansätze verwendet werden, die ausschließlich die Auswertung der Zielfunktion selbst verlangen.

Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Differential Evolution-Methode angewendet. Diese Methode optimiert ein Problem, indem die Zielfunktion für eine Schar von Parametervariationen ausgewertet wird. In einem iterativen Prozess werden neue Parametervariationen erstellt, basierend auf den Resultaten der vorhergegangenen Kombinationen. Bei jeder Iteration wird die dem kleinsten Wert für die Zielfunktion zugeordnete Parametervariation beibehalten. Auf diese Weise wird das Optimierungsproblem als Blackbox behandelt, die lediglich ein Maß für die Qualität jeder Parametervariation liefert ohne Ableitungen zu benötigen.

Deliverable D5.1 liefert eine detaillierte Beschreibung der Verknüpfung von FUMOLA mit diesem Optimierungsansatz.

Meilensteine

  1. Kick-off Workshop
  2. Topologische Verteilnetzmodelle erstellt (Prototypen)
  3. Erfolgreicher Test eines Prototyps für die Simulationskopplung
  4. Erfolgreicher Test eines Prototyps für die simulationsbasierte Optimierung
  5. Fertigstellung aller Simulationen (inkl. simulationsbasierte Optimierung)

Ergebnisse

Ziel des Projekts war es, die Auswirkungen der erarbeiteten Konzepte für das Design und den integrierten Betrieb von thermisch-elektrischen Verteilnetzen zu studieren und quantitativ zu erfassen. Mittels des in Arbeitspaket 5 erstellten Simulations- und Optimierungsframeworks wurden zeitlich hochauflösende, dynamische Computersimulationen durchgeführt, die eine Berechnung der Leistungskennzahlen und die Optimierung des Gesamtsystems ermöglichten. Dies ermöglicht es den DomänenexpertInnen (thermisch, elektrisch, Steuerungen), die für ihre jeweilige Domäne am besten geeigneten Werkzeuge zu verwenden, um eine adäquate und genaue Darstellung nicht nur der einzelnen Domänen, sondern auch des Gesamtsystems zu gewährleisten. Die betrachteten Energiesysteme, also das elektrische Netz, das die Gebäude verbindende thermische Netz und deren physikalischen Kopplungspunkte sowie die Steuerungen wurden entsprechend dem Arbeitspaket 2 modelliert (siehe Deliverables D2.1, D2.2, D2.3 und D2.4).

Basierend auf diesem Ansatz wurde im Rahmen des Projekts OptHySys die Nützlichkeit zweier komplementärer Ansätze zur Optimierung hybrider Energiesysteme demonstriert:

  • Für den Fall, dass nur eine sehr begrenzte Anzahl möglicher Systemkonfigurationen berücksichtigt werden muss (z.B. aufgrund von technischen Randbedingungen beim Design), ergibt sich aus der Bewertung aller Optionen mit Hilfe einer optimalen Steuerungsstrategie der bestmögliche Designkandidat. Dieser Ansatz wurde für den Anwendungsfall IKB-Demonet demonstriert.
  • Falls die Anzahl der möglichen Systemkonfigurationen sehr groß ist und die Auswertung aller möglichen Optionen aufgrund der damit verbundenen Rechenzeit nicht machbar ist, kann ein metaheuristischer Ansatz zur Optimierung des Systemdesigns genutzt werden. Dieser Ansatz wurde im Anwendungsfall Köstendorf demonstriert.

Die entsprechenden Resultate sind in Deliverable D6.1 detailliert beschrieben. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich die für das Projekt OptHySys entwickelten und eingesetzten Methoden und Werkzeuge hervorragend zur Analyse von hybriden thermisch-elektrischen Energiesystemen und zur Optimierung des zugehörigen Systemdesigns eignen. Die beiden Ansätze konnten in den verschiedenen Anwendungsfällen erfolgreich eingesetzt werden.

Angesichts der Fokussierung beider Anwendungsfälle auf die lokale Nutzung der (Über‑)Produktion von PV-Strom, ist die tatsächliche Verbesserung begrenzt, die sich in beiden Anwendungsbeispielen aus dem Hybridbetrieb ergibt. Es ist klar, dass zusätzliche Quellen für (erneuerbare) elektrische Energie erforderlich sind, um einen stärkeren Einfluss sowohl auf die elektrische als auch die thermische Domäne zu haben.

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Steckbrief

  • Projektnummer
    848778
  • Koordinator
  • Projektleitung
    Edmund Widl, edmund.widl@ait.ac.at
  • Schlagwörter
    Energie, Energieeffizienz, Sektorkopplung
  • Förderprogramm
    Energieforschung (e!MISSION)
  • Dauer
    06.2015 - 05.2016
  • Budget
    245.827 €