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SELF Sustainable Energy Consulting for Low-Income and Migrant Families

Das Ziel dieses Projekts war es, einen neuen Weg zu erforschen, um Menschen mit Energiespartipps zu erreichen, die über vorhandene Beratungsangebote und -kanäle bisher kaum erreicht werden konnten. Energieberatung, die auch einkommensschwache Menschen erreichen will, muss auf deren spezifische Bedürfnisse zugeschnitten sein. Der in diesem Projekt verfolgte Ansatz basiert auf der Idee, Menschen, die selbst in (Groß-) Wohnhausanlagen leben und mit der sozialen, kulturellen und baulichen Situation vor Ort vertraut sind, als MultiplikatorInnen für ein niederschwelliges Beratungsangebot zu schulen. Das zentrale Anliegen des Projekts war es, einen Kurs für BewohnerInnen solcher Siedlungen zu konzipieren, in dem sie praxisrelevante Kenntnisse zu einfachen und effizienten Energiesparmaßnahmen erwerben und dabei ihr ortsspezifisches Erfahrungswissen einbringen können. Der Kurs wurde so konzipiert, dass er für BewohnerInnen in ähnlichen Wohnsituationen (Gemeindebauten, großen Wohnsiedlungen oder auch Stadtteilen) anwendbar ist. Die Schulungsunterlagen stehen seit Projektende potentiellen VeranstalterInnen solcher Kurse kostenlos zur Verfügung, so z.B. Sozialeinrichtungen, Siedlungsgenossenschaften, Verwaltungseinrichtungen, Vereinen, und Bildungseinrichtungen.

Anspruch des Kurses ist es, die TeilnehmerInnen zu befähigen, andere Menschen in ihrem Wohnumfeld niederschwellig zum Thema Energiesparen zu beraten. Der inhaltliche Umfang eines solchen „Energiechecks“ bleibt dabei bewusst begrenzt. Der Schwerpunkt liegt bei Soforthilfemaßnahmen und leicht umsetzbaren Tipps. Die geschulten Personen werden von uns EnergiecheckerInnen genannt. Diese EnergiecheckerInnen lernen zu unterscheiden, wann solche Maßnahmen ausreichen und wann externe Hilfe wie z.B. von einem/einer EnergieberaterIn, InstallateurIn, der Hausverwaltung oder einer MieterInnen(rechts-)beratung notwendig ist. Soforthilfemaßnahmen und leicht umsetzbare Tipps beziehen sich dabei schwerpunktmäßig auf die Themen:

  • • Heizungsregelung / Raumklima / Lüften / Schimmel / Fenster dichten
  • • Stromsparberatung – Haushaltsgeräte und Beleuchtung
  • • Warmwasserverbrauch
  • • Verständnis der Energiekostenabrechnung / Möglichkeiten eines Anbieterwechsels
  • • Einfluss von alltäglichen Gewohnheiten
  • • Mietrechtliche Fragen

Neben fachlichen Themen wurde in der Schulung besonderer Wert auf die Vermittlung von Gesprächsführungskompetenzen gelegt.

Um das Konzept zu erproben und weiter zu entwickeln, wurde es in der Wiener Wohnhausanlage Am Schöpfwerk im Rahmen einer Pilotschulung erstmalig angewendet. Zu der Siedlung Am Schöpfwerk, die als exemplarischer Baukomplex gewählt wurde, gehören zwei städtische Wohnhausanlagen der Gemeinde Wien, die in den 1950er Jahren und 1976-80 errichtet wurden. Der Projektfokus lag auf dem jüngeren Teil, dem „Neuen Schöpfwerk“. Dieser besteht aus 62 Stiegenhäusern mit 1734 Wohnungen und wird von ca. 5000 Menschen bewohnt. Am Schöpfwerk werden über 20 Sprachen gesprochen. Zur Infrastruktur gehören das Stadtteilzentrum Bassena (mit dem als Veranstaltungsort der Schulung eng kooperiert wurde), ein Nachbarschaftszentrum, drei Kindergärten, zwei Schulen, Gebetshäuser, Ladenlokale und eine Bibliothek. Ein Großteil der BewohnerInnen des Schöpfwerks ist dem unteren Einkommensbereich zuzuordnen.

Nach abgeschlossener theoretischer Ausbildung führten die KursteilnehmerInnen bei BewohnerInnen der Wohnhausanlage (und darüber hinaus) Vor-Ort-Energiechecks durch (praktischer Teil der Pilotschulung). Die ausgebildeten EnergiecheckerInnen sollten nach Möglichkeit KundInnen beraten, welche dieselbe Muttersprache sprechen bzw. denselben kulturellen Hintergrund besitzen wie sie selber. Angesichts der besonderen Armutsbetroffenheit von Frauen wurde weiters angestrebt, verstärkt potentiell weibliche EnergiecheckerInnen für die Schulung zu gewinnen. Mit der Möglichkeit eines Gesprächs „von Frau zu Frau“ kann weiteren Hemmschwellen entgegengewirkt werden. Wichtig ist auch, dass EnergiecheckerInnen nach dem hier vorgeschlagenen Modell unabhängig von Energieversorgungsunternehmen und staatlichen Organisationen arbeiten, was die Akzeptanz des Angebots erhöht.

Ausgangssituation

Energieberatung unterstützt Menschen dabei, ihre Kosten für Heizenergie und Strom zu reduzieren und leistet durch umfassende Bewusstseinsbildung zur effizienten Energienutzung einen Beitrag zum Klimaschutz. Da Energieeffizienzmaßnahmen meist mit Investitionskosten (thermische Sanierung der Gebäudehülle, Heizungstausch, etc.) verbunden sind, sind Menschen mit geringem Haushaltseinkommen oft benachteiligt und werden überdurchschnittlich hoch durch steigende Energiekosten belastet. Darüber hinaus werden diese Menschen oft nicht durch bestehende Beratungsangebote erreicht. Die Gründe dafür sind unter anderem:

  • Beratungsangebote (Broschüren, Onlineinformationen und persönliche Beratungen) sowie Einsparpotentiale sind dieser Zielgruppe oft unzureichend bekannt.
  • Eine Beratung in deutscher Sprache stellt für viele Menschen mit Migrationshintergrund ein Hindernis dar.
  • Der Fokus bei bestehenden Beratungsangeboten liegt in der Regel auf Sanierungs- und Energieeffizienzmaßnahmen, die mit Investitionskosten verbunden sind, und nicht auf dem NutzerInnenverhalten. Das NutzerInnenverhalten ist aber meist der einzige Bereich, den Menschen mit geringem Haushaltseinkommen aktiv beeinflussen können.

Verschiedene Studien schreiben der persönlichen Beratung die nachhaltigste Wirkung zu. Energieberatung für Menschen mit niedrigem Einkommen sollte unbedingt kostenlos sein und aufsuchende Angebote mit muttersprachlicher Beratung für MigrantInnen beinhalten. Die geringen finanziellen Mittel der Zielgruppe und die wenigen baulichen Veränderungsmöglichkeiten in Mietwohnungen sollten dabei berücksichtigt werden. Diese Studie leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, dass derartige Angebote in Zukunft vermehrt zu finden sind. Wegen der besonders hohen Dichte von einkommensschwachen Haushalten in (Groß-) Wohnhausanlagen (Gemeindebaukomplexen, etc.) wurden diese zum besonderen Fokus unseres Projektes.

Projektverlauf

  • Auswahl der fachlichen Inhalte der Ausbildung anhand von (a) Erfahrungen des Projektteams bei der Beratung von einkommensschwachen KundInnen, (b) Erfahrungen des Projektteams bei der Ausbildung von EnergieberaterInnen, (c) Erkenntnissen aus vergleichbaren Projekten im europäischen Ausland, (d) Ergebnissen aus bestehenden Studien (Literatur- und Onlinerecherche).
  • Prüfung und Auswahl von geeigneten Methoden für die Wissensübermittlung aus den Bereichen Erwachsenenbildung, Integrationsarbeit und Umweltbildung (Literatur- und Onlinerecherche).
  • Modularisierung der Schulung und Erstellung von illustrierten Lehrmaterialien.
  • Test der Schulungsunterlagen und -methoden mit einer Gruppe von InteressentInnen / Durchführung des theoretischen Kursteils als Pilotprojekt. Voraussetzung: Bekanntmachung des Kursangebots in der Siedlung Am Schöpfwerk, u.a. mit Hilfe des Stadtteilzentrums Bassena.
  • Praxistest: Durchführung von Probeberatungen in Haushalten der Siedlung durch die EnergiecheckerInnen in Begleitung von erfahrenen EnergieberaterInnen (Voraussetzung: Bekanntmachung des Angebots vor Ort, u.a. mit Hilfe des Stadtteilzentrums Bassena).
  • Evaluierung: Prüfung der Ausbildungsunterlagen nach pädagogisch-didaktischen Kriterien, Befragung von EnergiecheckerInnen in Ausbildung, AusbilderInnen, beratenen Haushalte und anderen AkteurInnen in Form von standardisierten und leitfadengestützten Interviews (quantitative und qualitative Erhebung), Gruppendiskussionen und Feedbackrunden unter den ProjektpartnerInnen.
  • Integration von Erkenntnissen aus theoretischer und praktischer Pilotschulung sowie aus der Evaluierung: Überarbeitung der Schulungsunterlagen und abschließende Online-Veröffentlichung.
  • Disseminationsmaßnahmen betreffend Verfügbarkeit der Schulungsunterlagen und allgemeiner Darstellung der Projektergebnisse.

Ergebnisse

Im Rahmen des Projekts wurden Schulungsunterlagen in Form eines modularisierten Ausbildungskonzepts erstellt. Sie bestehen aus:

  • • Skripten zur inhaltlich-methodischen Planung der Unterrichtseinheiten
  • • Powerpoint-Präsentationen für die Vortragenden
  • • Skripten und Arbeitsblättern für die KursteilnehmerInnen
  • • weiteren Materialien (Spiele, etc.)
  • • der Vorlage für ein Beratungsprotokoll

Aufgrund unterschiedlicher Vorkenntnisse der TeilnehmerInnen (sowohl fachlich als auch bezogen auf Deutschkenntnisse und Lernstile) erfordert der Unterricht Methodenvielfalt: dieselben Inhalte sind auf verschiedene Weise erlernbar (z.B. durch Erarbeitung im Gruppengespräch, Darstellung als Vortrag und nach Möglichkeit immer durch praktische Übungen). Es zeigte sich im Praxistest, dass bei der Schulung von EnergiecheckerInnen auch ein besonderer Fokus auf deren Kommunikationskompetenz liegen muss. Beratungssituationen wurden daher bereits während der theoretischen Ausbildung verstärkt geübt. Die Erarbeitung und stete Verbesserung zielgruppenspezifischer Lernmaterialien wurde durch mehrfache Feedback-Schleifen ermöglicht: Abgleich mit publizierten, fach- und didaktikspezifischen Erkenntnissen, Rückmeldungen der Lehrenden und der EnergiecheckerInnen sowie Evaluationsergebnissen. Die Lernmotivation der KursteilnehmerInnen war sehr hoch und die Resonanz in den beratenen Haushalten war sehr positiv. Die Nachfrage nach Energiechecks und die Zahl der InteressentInnen für die Schulung erreichten jedoch nicht das beabsichtigte Ausmaß.

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Steckbrief